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11.04.2025

Luftaufklärung gegen das Sterben im Atlantik

Unser Bündnisflugzeug Seabird 3 wird – abwechselnd mit den anderen Flugzeugen unseres Bündnispartners Humanitarian Pilots Initiative (HPI) – nicht nur über dem Mittelmeer, sondern auch auf der sogenannten Atlantik-Route fliegen. Warum fliehen immer mehr Menschen über diese Route, warum ist sie so gefährlich, und was hat HPI dort vor? Das haben wir Simon Thoma gefragt, der das Projekt bei HPI ehrenamtlich leitet. In seinem Hauptberuf ist er Linienpilot bei SWISS International Airlines.

Hallo Simon! Kannst du dich und HPI kurz vorstellen?

Wir sind eine Non-Profit-Organisation, die das Ziel hat, ihr Wissen und Können im aviatischen Bereich für humanitäre Zwecke einzusetzen. Wir entwickeln innovative Ideen und Konzepte, um Menschen in Not zu helfen.

Ich bin als Projektleiter für den Aufbau und die Organisation unserer Luftaufklärungs-Operation im Atlantik zuständig, wo wir unsere Erfahrungen aus dem Zentralen Mittelmeer nutzen wollen, um die Flüchtenden in dieser Region zu unterstützen.

Was ist die Atlantik-Route genau?

Menschen auf der Flucht versuchen, von westafrikanischen Staaten wie Marokko, Mauretanien, Senegal oder Gambia aus in Booten auf die Kanarischen Inseln und damit nach Europa zu gelangen. Es sind einerseits Angehörige dieser Staaten, aber auch Flüchtende aus anderen Regionen, die diese Migrationsroute über das Meer einschlagen.

Die Atlantik-Route verläuft entlang der westafrikanischen Küste Richtung Kanarische Inseln

Warum fliehen immer mehr Menschen über diese Route?

Die Migrationszahlen im Atlantik sind über die letzten Jahre stark angestiegen. Das hat verschiedene Gründe. Einerseits haben sich die Lebensgrundlagen weiter verschlechtert. Zum Beispiel sind die Fischbestände an den westafrikanischen Küsten auf Grund der Überfischung durch Europäische und andere internationale Fangflotten so stark zurückgegangen, dass für die lokalen Fischer schlicht nicht mehr genug übrig bleibt, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch sonst ist es für viele Menschen schwierig geworden, genügend zu verdienen, um sich und ihre Familien zu ernähren, es fehlen Zukunftsperspektiven im eigenen Land.

Hinzu kommt, dass sich gewisse Flüchtlingsströme verlagert haben, unter anderem auf Grund der immer gefährlicher werdenden Flüchtlingsrouten durch die Sahara und über das Mittelmeer. So versuchen zunehmend mehr Menschen, die vor Kriegen und Verfolgung in anderen Teilen Afrikas oder sogar aus Asien flüchten, über die Atlantik-Route an einen sicheren Ort zu gelangen.

Was macht die Atlantik-Route so gefährlich?

Der Atlantik ist ein offener Ozean mit starken Strömungen und Winden, die das Navigieren erschweren. Hohe Wellen können Boote zum Kentern bringen. Dazu kommt, dass die Distanzen im Vergleich zum Mittelmeer viel größer sind. Die Überfahrt von Senegal oder Gambia auf die Kanaren dauert, wenn es gut läuft, etwa sieben bis zehn Tage. Auf diesen langen Fahrten ist das Risiko viel höher, dass der Motor versagt, dass Wasser und Lebensmittel ausgehen, dass die Leute in der sengenden Sonne gesundheitliche Probleme bekommen oder dass man von einem Sturm erfasst wird.

Wie viele Menschen sterben hier auf ihrer Flucht?

Da die Migration von den Herkunfts-, Transit- und Zielländern als illegal angesehen wird, müssen sich die Menschen im Geheimen auf die Reise machen. Dies macht es schwierig, die Anzahl der Leute zu bestimmen, die den Versuch wagen, in Booten nach Europa zu gelangen. Offizielle Zahlen beziehen sich oft nur auf die gefundenen Toten, was aber nur einen Bruchteil ausmacht.

Es gibt eine Organisation*, die versucht, mit den Informationen, die sie von Überlebenden, Verwandten und Bekannten erhalten, zu eruieren, wie groß die effektiven Zahlen sind. Ihre Schätzungen belaufen sich auf etwa 10.000 Menschen pro Jahr, die auf der Reise ihr Leben verlieren.

Was plant ihr mit eurem neuen Projekt?

In weiten Teilen des Gebiets zwischen den Küsten Westafrikas und den Kanarischen Inseln gibt es heute keine Überwachung und Seenotrettung. Dort, wo es staatliche Akteure gibt, beschränken sie ihre Aktivitäten auf das Gebiet, das direkt vor ihren Küsten liegt. Dazwischen besteht eine riesige Zone, die nicht überwacht wird. Boote, deren Motor ausfällt, die sich verirren oder vom Kurs abkommen, treiben auf die offene See hinaus und bleiben unentdeckt. Manche dieser Boote werden erst in Lateinamerika gesichtet – ohne Überlebende.

Monitoring-Flug über dem zentralen Mittelmeer. Foto: David Lohmüller / Sea-Watch

Mit unserem Flugzeug werden wir das bisher nicht überwachte Gebiet nach Booten mit Flüchtenden absuchen. Einerseits werden wir anhand von vorher definierten Suchmustern fliegen, andererseits aber auch gezielt suchen, wenn wir die Information erhalten, dass sich ein Boot auf dem Weg befindet und wir so die ungefähre Position bestimmen können.

Was tut ihr, wenn ihr ein Boot in Seenot entdeckt?

Einerseits dokumentieren wir, was wir vorfinden, wie viele Leute an Bord sind, ob es zum Beispiel Schwimmwesten an Bord gibt, ob die Motoren laufen und das Boot sich auf Kurs befindet.

Wenn es sich um Menschen in Seenot handelt, senden wir einen Notruf für sie auf der internationalen Notfrequenz ab. So können wir Schiffe in der Nähe und Rettungsorganisationen auffordern, ihnen zur Hilfe zu kommen.

Was ist das Ziel eures Projekts, und wie geht es nach der Pilotphase weiter?

Da man noch sehr wenig über die genauen Routen weiß, geht es auch darum herauszufinden, wie und wo wir möglichst gezielt überwachen und helfen können. Wir möchten mit unserer ersten Pilotphase wichtige Daten sammeln, um den Aufbau einer langfristigen Rettungsstruktur in der Region zu unterstützen.

Welche Herausforderungen sind euch bislang begegnet?

Es gab und gibt sehr viele bürokratische Hürden, um die Bewilligungen für die Flüge zu erhalten. Dies kann man einerseits darauf zurückführen, dass die Mühlen in den afrikanischen Verwaltungen langsam mahlen, andererseits sicher auch darauf, dass wir uns im Spannungsfeld zwischen Rechten und Interessen der Flüchtenden und der Herkunfts-, Transit- und Zielländern bewegen.

Praktische Hürden sind etwa die Verfügbarkeit von Treibstoff und zertifizierten Mechanikern auf den von uns anvisierten Flugplätzen.

Wie können Menschen euer Projekt unterstützen?

Am wichtigsten ist, dass die Situation auf der Atlantik-Route – und auch unser Projekt – sichtbar bleibt. Jede:r kann dazu beitragen, indem er oder sie im eigenen Umfeld darüber spricht und unsere Inhalte auf Social Media teilt. Sichtbarkeit schafft Aufmerksamkeit – und Aufmerksamkeit rettet Leben.

Zudem sind wir auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Jede Spende, ob groß oder klein, hilft uns, länger in der Luft zu bleiben und mehr Menschen in Seenot zur Seite zu stehen.

* Caminando Fronteras, Anm. d. Red.

Spendenkonto

United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V.
IBAN: DE93 1006 1006 1111 1111 93
BIC: GENODED1KDB
Bank für Kirche und Diakonie eG – KD-Bank

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United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V.
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