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01.08.2024

"Als ein Boot der libyschen Behörden auftauchte, gerieten die Menschen in Panik"

Mit einer Förderung in Höhe von 12.226 Euro hat United4Rescue im Sommer 2024 einen Einsatz der TROTAMAR III auf dem Mittelmeer ermöglicht. 65 Menschen konnte die Crew bei diesem Einsatz aus Seenot retten. Matthias und Lene vom CompassCollective berichten!

Stellt euch doch einmal kurz vor: Wer seid ihr, und was habt ihr für ein Schiff?

CompassCollective aus dem Wendland ist seit 2023 mit der TROTAMAR III auf dem zentralen Mittelmeer im Einsatz. Unsere ehrenamtlichen Crews fahren mit dem Segelboot dreiwöchige Einsätze, halten nach Seenotfällen Ausschau und unterstützen Rettungsaktionen von größeren Schiffen. Im Notfall nimmt die Crew auch Menschen an Bord der TROTAMAR III und übergibt diese später an die Küstenwache, andere NGO-Schiffe oder bringt sie selbst in einem sicheren europäischen Hafen.

Die ehrenamtliche Crew des CompassCollective sucht mit der TROTAMAR III nach Menschen in Seenot. Foto: CompassCollective

Warum habt ihr entschieden, euch in der Seenotrettung zu engagieren?

Mitglieder unserer Gruppe hatten sich zuvor bereits humanitär in Südosteuropa entlang der sogenannten Balkanroute engagiert und dort die brutalen und menschenrechtsverletzenden Auswirkungen der EU-Abschottungspolitik erlebt. 2023 entschieden wir, uns im zentralen Mittelmeer zu engagieren – der tödlichsten Fluchtroute der Welt. Wir leisten einen Beitrag zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtenden und setzen dem politisch gewollten Sterbenlassen als Teil der zivilen Flotte etwas entgegen.

Ihr seid gerade von eurem vierten Einsatz dieses Jahr zurückgekehrt. Was ist passiert?

Zum einen haben wir am 16. Juni versucht, ein Boot in den tunesischen Hoheitsgewässern zu finden. Der Fall wurde uns von der NGO Alarmphone gemeldet. In der letzten Nachricht hieß es, dass die Menschen damit beginnen, Salzwasser zu trinken. Wir wussten, keine andere NGO fährt dort hin. Doch an der 12-Seemeilen-Grenzen wurden wir von einem Boot der tunesischen Marine abgefangen und durften nicht weiterfahren. Wir wissen nicht, was aus den Menschen geworden ist. Auch ein weiteres Boot, von dem wir über Funk erfahren haben, haben wir nicht gefunden.

Am 21. Juni hat die Crew dann ein Schlauchboot mit 65 Menschen innerhalb der libyschen Such und Rettungszone gefunden. Wir haben sofort die italienischen Behörden informiert. In den Moment, als ein Boot der libyschen Behörden auftauchte, gerieten die Menschen in Panik, einige sprangen ins Wasser. Wir haben dann entschieden, alle 65 Menschen an Bord der TROTAMAR III zu nehmen.

Mit 65 Menschen an Bord wird es eng auf der TROTAMAR III. Foto: CompassCollective

An Bord haben wir sie mit Wasser, Tee, warmem Essen und Rettungsdecken versorgt. Eine Person hatte Verbrennungen durch das Gemisch aus Treibstoff und Salzwasser, das sich oft in den Booten sammelt, und wurde von uns behandelt. Später hat ein Schiff der italienischen Küstenwache die Menschen von unserm Boot übernommen und sicher nach Lampedusa gebracht.

Wie läuft eure Zusammenarbeit mit der italienischen Küstenwache?

Insgesamt ganz gut. Bedauerlich ist, dass wir bisher noch nie direkt darüber informiert wurden, dass ein Boot der Küstenwache kommen wird. Es war bisher immer so, dass sie plötzlich aufgetaucht sind. Aber natürlich beeinflusst ein solches Wissen oder Nicht-Wissen unser Handeln auf See. Und es wäre auch hilfreich für die Kommunikation mit den Menschen auf den Booten in Seenot. Die direkte Kommunikation mit den Seeleuten vor Ort oder auf Lampedusa in den Büros der Küstenwache ist dann aber stets respektvoll und freundlich.

Das leere Schlauchboot nach der Rettung. Foto: CompassCollective

Was sind besondere Herausforderungen für ein Segelschiff in der Seenotrettung?

Die besonderen Herausforderungen sind vielfältig. Die Besatzung lebt auf engem Raum, Betten werden geteilt und es gibt keine Dusche. Die medizinische Ausrüstung ist aufgrund des begrenzten Raumes sehr begrenzt. Echte medizinische Notfälle können wir nicht behandeln und nur einen kleinen Teil von ihnen, zumindest vorübergehend, stabilisieren, bis externe Hilfe kommt. Aber das ist immer noch besser, als nichts – denn wenn wir nicht vor Ort wären, würde gar kein Mensch gerettet.

Unsere Limitierung ist strukturell aber auch eine gewisse Stärke. Italienische Behörden können ein kleines Segelboot mit sehr begrenztem Kraftstoff- und Lebensmittelvorrat und einer humanitären Katastrophe an Bord nicht auf die tagelange Reise zu einem Port of Safety (POS) in Norditalien schicken, wie es größere NGO-Schiffe regelmäßig betrifft.

Aufgrund der sich daraus ergebenen "kurzen" Fahrt zum POS Lampedusa (es kann kein anderer sein), sind wir auch wieder schneller einsatzbereit. Und wenn wir einen medizinischen Notfall an Bord haben, dann erkennen auch die italienischen Behörden das auch an. Es gibt keinen Interpretationsspielraum – wir haben einfach kein Hospital.

Kleinere Verletzungen oder Krankheiten können unter Deck behandelt werden. Foto: CompassCollective

In der aktuellen politischen Lage operieren wir außerdem wesentlich kostengünstiger, als die NGOs mit großen Schiffen. 100.000 Euro haben oder nicht haben, entscheiden bei einer Segelboot-NGO über Sein oder Nicht-Sein. Bei einer großen NGO über eine Tankfüllung oder keine Tankfüllung.

Wie viele Menschen sind als Crew an Bord der TROTAMAR III, und was für Aufgaben haben sie?

Wir haben sechs Besatzungsmitglieder, aber mehr Aufgaben. Dies bedeutet, dass die Aufgabenverteilung stets variiert und wir dementsprechend auch jedes Mal unsere seefahrerischen Aufgabenverteilungen neu überdenken müssen. Der:Die Skipper:in ist auch Head of Deployment (HoD) [Head of Mission (HOM) in anderen NGOs]. Des Weiteren gibt es eine:n Co-Skipper:in, eine medienverantwortliche Person, eine medizinische Kraft, ein zweiköpfiges Dinghi-Team, eine Person, die für unsere Lebensmittelvorräte zuständig ist sowie eine Person, die speziell dem Thema Awareness verschrieben hat. Darüber hinaus versuchen wir immer, eine italienisch-sprachige Person an Bord zu haben. Ohne englisch- und französischsprechende Menschen fahren wir nicht in den Einsatz.

Was hat euch die Förderung durch United4Rescue ermöglicht?

United4Rescue hat unseren diesjährigen vierten Einsatz gefördert, unter anderem die An- und Abreise sowie Verpflegung der Crew, die Kosten für den Schiffsdiesel, für Kommunikation per Satellitentelefon während des Einsatzes und vieles mehr. Die Förderung hat uns somit ermöglicht, mit der TROTAMAR III im zentralen Mittelmeer 65 Menschen aus Seenot zu retten, die dadurch einen sicheren Hafen in Italien erreichten.

Foto: CompassCollective

Spendenkonto

United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V.
IBAN: DE93 1006 1006 1111 1111 93
BIC: GENODED1KDB
Bank für Kirche und Diakonie eG – KD-Bank

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