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28.02.2023

Solidarität im Grenzgebiet: Die Grupa Granica in Polen

Im Herbst 2021 lockt der belarussische Machthaber Lukaschenko Tausende Flüchtlinge in sein Land – mit dem Versprechen, sie könnten von hier aus in die EU gelangen. Er will damit die EU-Mitgliedstaaten zwingen, Sanktionen gegen Belarus zu lockern. Während die Flüchtlinge mit belarussischer Hilfe versuchen, über die Grenze zu gelangen, verstärkt Polen den Grenzschutz und erklärt das Gebiet zur Sperrzone, baut später einen fünfeinhalb Meter hohen Zaun. Die Folge: Tausende Menschen stecken in den Wäldern und Sümpfen im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern fest, können weder vor noch zurück. Etliche Menschen sterben.

In dieser Zeit gründete sich Grupa Granica (übersetzt: „Grenzgruppe“), ein informeller Zusammenschluss von Anwohner:innen im Grenzgebiet, Freiwilligen und NGOs. Ähnlich wie Alarmphone auf dem Mittelmeer können Menschen in Not die Unterstützer:innen über eine Notrufnummer erreichen. Wir haben mit Patrycja Roman vom Verein Egala, Teil der Granica-Gruppe, über ihre Arbeit und die Situation an der Grenze heute gesprochen.

Was ist die Grupa Granica, warum habt ihr euch gegründet?

Seit über eineinhalb Jahren liegt die gesamte Verantwortung für die Flüchtlingshilfe an der polnisch-belarussischen Grenze auf den Schultern von Anwohner:innen, Freiwilligen und einigen NGOs. Wir leisten humanitäre Hilfe für Geflohene, unabhängig von Herkunftsland, Hautfarbe oder Geschlecht.

Die Menschen an der polnisch-belarussischen Grenze sind oft am Rande ihrer körperlichen und geistigen Belastbarkeit. Viele wurden betrogen, geschlagen und ausgeraubt, und viele sind krank. Gleichzeitig haben sie aus gutem Grund Angst, sich an die Behörden zu wenden und um Hilfe zu bitten. Sie haben Angst vor der Gewalt, die ihnen von Seiten der belarussischen Behörden, aber auch von den polnischen Grenzschützern droht, die die Menschen immer wieder illegal in sogenannten Push-Backs nach Belarus zurückdrängt.

Der Grenzzaun zwischen Polen und Belarus. Foto: Egala / Grupa Granica

Neben der direkten humanitären und medizinischen Hilfe in den Wäldern im Grenzgebiet leisten wir auch Rechtshilfe bei Anträgen auf Asyl und helfen bei der Suche nach vermissten Personen. Wir unterstützen außerdem Menschen, die rechtswidrig in gefängnisähnlichen, bewachten Haftanstalten eingesperrt sind, dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und sammeln und verbreiten Informationen über die Situation an der Grenze.

Warum ist es so gefährlich, die Grenze zwischen Belarus und Polen zu überqueren?

Das Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus ist dicht bewaldet, teilweise sumpfig und schwer zugänglich. Es gibt viele wilde Tiere, wie Wölfe und Bisons. Im Winter wird es sehr kalt, die Temperaturen fallen auf unter -15 Grad. Ohne Kenntnis des Geländes und des Klimas ist es sehr schwierig, dort zu überleben. Menschen, die sich plötzlich im Wald wiederfinden, sind in tödlicher Gefahr. Dazu kommt, dass es in den meisten Bereichen keinen Empfang gibt und Kommunikation schwierig ist. Und zu guter Letzt gibt es den Grenzzaun. Wer versucht, ihn zu überwinden, kann sich Verletzungen und schwere Knochenbrüche zuziehen.

Wer hier ohne Ortskenntnisse und schützende Kleidung unterwegs ist, gerät schnell in Lebensgefahr. Foto: Egala / Grupa Granica

Wie helft ihr den Menschen?

Wir bringen den Menschen in Not Lebensmittel, Medikamente, warme Kleidung, Schlafsäcke und Rucksäcke. Bei Bedarf leisten wir auch medizinische Ersthilfe. Die Geflüchteten melden sich bei uns über eine öffentliche Telefonnummer, dann wird die Gruppe kontaktiert, die ihnen am schnellsten helfen kann.

Besonders jetzt, im Winter, ist es extrem gefährlich für die Menschen, die im Grenzgebiet ausharren. Dank der finanziellen Unterstützung von United4Rescue konnten wir die notwendigen Gegenstände für die Winterhilfe kaufen. Außerdem können wir unsere ehrenamtlichen Helfer:innen finanziell unterstützen, beispielsweise mit Erstattungen für Benzin.

Die Helfer:innen von Grupa Granica bringen heiße Suppe und warme Kleidung. Foto: Egala / Grupa Granica

Wie viele Menschen gerade die Grenze überqueren, kann ich nicht sagen, das ändert sich von Tag zu Tag. Im Vergleich zu den letzten Monaten hat die Zahl etwas abgenommen, aber es gibt noch immer fast täglich Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Wir hören oft, dass es auf der belarussischen Seite noch viel mehr geben soll. Im Jahr 2022 haben wir Notrufe von mehr als 6.000 Menschen erhalten. Über 3.500 von ihnen konnten wir finden und helfen.

Was passiert mit den Menschen, die es schaffen, die Grenze zu überqueren?

Zuerst möchte ich sagen, dass keiner der Menschen, die im polnisch-belarussischen Grenzgebiet festsitzen, diesen Weg freiwillig gewählt hat. Durch die politischen Entscheidungen und die Abschottung Europas bleiben ihnen keine legalen Fluchtwege. Viele von ihnen kommen aus Ländern wie dem Irak, Syrien, Afghanistan aber auch dem Jemen oder Somalia. Sie versuchen, auf den wenigen gebliebenen Landrouten nach Europa zu gelangen, um Asyl und damit internationalen Schutz als Flüchtling in der EU zu beantragen.

Oft werden die Menschen nach dem Grenzübertritt völkerrechtswidrig nach Belarus zurückgedrängt. Wenn eine Person in Polen ankommt, landet sie oft in einer Art Gefängnis, einem “Bewachten Geschlossenen Zentrum” – auch wenn sie internationalen Schutz beantragt hat. Die meisten Menschen hoffen jedoch, auf der Suche nach einem besseren Leben schnell nach Deutschland oder in ein anderes westeuropäisches Land zu gelangen.

Im Winter 2021/22 erklärte die polnische Regierung die Grenzregion zum Sperrgebiet, niemand durfte hinein. Wie ist die Situation für die Helfer:innen heute?

Es gibt immer noch Fälle von repressiver Behandlung von Helfer:innen. Es gibt zwar keine Sperrzone mehr, aber es werden immer noch Autos durchsucht und Ausweise kontrolliert. Das ist unangenehm und wir können den Menschen nicht offen helfen – sondern können dies nur im Verborgenen tun.

Wie siehst du die Zukunft?

Aktuell ist kein Ende der humanitären Krise an der EU-Außengrenze in Sicht. Die Situation im Grenzgebiet ist politisch gewollt. Solange sich die Einstellung von Polen und Belarus – und der gesamten EU – den Flüchtenden gegenüber nicht ändert, werden weiterhin Menschen in den Wäldern von Podlasie sterben.

Danke, Patrycja, für das Gespräch!

United4Rescue unterstützt die Winterhilfe 2022/23 von Grupa Granica mit 55.500 Euro.

Spendenkonto

United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V.
IBAN: DE93 1006 1006 1111 1111 93
BIC: GENODED1KDB
Bank für Kirche und Diakonie eG – KD-Bank

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