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30.10.2024

Jawids Geschichte

“Meine Heimat habe ich zu Fuß verlassen. In einem Auto erreichte ich – ohne Visum – den Iran. Gemeinsam mit drei anderen Personen fuhr ich viele Stunden im Hohlraum eines LKWs mit. Wir lagen dicht am Motor. In diesem Versteck war es laut und unvorstellbar heiß.

Im Iran ging es nachts mit kleinen Lieferautos weiter, tagsüber mussten wir uns vor den Kontrollen verstecken. Mittlerweile waren wir zu einer Gruppe aus 19 Menschen angewachsen. Unser Lieferauto geriet in eine Polizeikontrolle. Der Fahrer überlistete die Polizei mit einer wilden Verfolgungsjagd. Er fuhr so schnell, dass er – wie in einem Film – einige Treppenstufen nahm, da flog das Auto mit uns allen einige Meter durch die Luft. Der harte Aufprall schleuderte uns wild durcheinander. Eine Frau brach sich dabei beide Füße.

Als wir wieder laufen mussten, bat die Frau, wir sollten sie einfach zurücklassen. Aber wir beschlossen, dass wir nur mit ihr weiter gehen wollten. Also mussten wir sie und manchmal auch ihre Kinder tragen. Wenn die Sonne brannte, sind wir in sengender Hitze weiter gegangen. Als es nichts zu trinken gab, sind wir dehydriert weiter gegangen. Einmal hatten wir so starken Durst, dass wir aus einer großen Pfütze, in der es von Würmern wimmelte, getrunken haben. Wir taten das, nur damit wir weiter gehen konnten.

Vor der Grenze zwischen dem Iran und der Türkei mussten wir steile Bergkämme überwinden. Wir haben auch da, wo es keinen sichtbaren Pfad gab, den Mut nicht verloren. Obwohl es uns allen an Kraft fehlte, haben wir die Frau getragen. Wir mussten Flüsse durchqueren und wussten nicht, wie tief das Wasser ist. Also hielten wir die Frau auf unseren Händen hoch über unsere Köpfe. Dann trugen wir die Kinder auf unseren Schultern durch das Wasser.

Auf der türkischen Seite nahm uns ein Auto mit. Alle fünfundzwanzig Menschen quetschten sich wieder in einem Fahrzeug zusammen. Mich versteckte man mit anderen Menschen unter der Ladefläche, ich lag gekrümmt, die Straße sauste dicht unter meinem Gesicht vorbei. In Istanbul war Pause, dann erreichten wir Izmir.

Am Strand gab man uns ein Plastikboot und eine Handluftpumpe, damit sollten wir die Überfahrt nach Griechenland antreten. Während die einen Luft in das Boot pumpten, suchten die anderen Material, mit dem wir den Boden des Bootes stabilisierten. Der festere Boden sollte verhindern, dass das Plastikboot über unseren Köpfen zusammenklappt und uns in die Tiefe zieht. Drei Stunden fuhren wir in die falsche Richtung, dann ging uns das Benzin aus. Wir nahmen die Hände zum Rudern und erreichten nach Stunden den Strand von Lesbos bei Mytlini.

Alle 25 Personen haben das Ziel erreicht. Wir hatten uns das vorgenommen und geschafft. Innerhalb dieser Gruppe hatten wir nie wieder Kontakt. Aber manchmal denke ich an die Frau mit den beiden Brüchen und hoffe, dass es der Frau heute gut geht und die Verletzungen verheilt sind. Jetzt muss ich aber zu meiner Arbeit in das Restaurant, ich werde gleich erwartet."

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