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27.08.2020

Sea-Watch 4 und Etienne brauchen jetzt einen sicheren Hafen

EU muss Verantwortung übernehmen

Presseerklärung von United4Rescue und Sea-Watch

Nach der medizinischen Evakuierung eines Jugendlichen mit schweren Treibstoffverbrennungen durch die Italienische Küstenwache am gestrigen Mittwoch, warten immer noch 201 Gerettete an Bord der ‘Sea-Watch 4 powered by United4Rescue’ auf Zuweisung eines sicheren Hafens. Vor Malta wird dem Handelsschiff Etienne derweil seit mittlerweile 22 Tagen, dem bislang längsten Stand-Off, die Anlandung von 27 aus Seenot geborgenen Menschen verwehrt.

Die Sea-Watch 4 konnte zwischen dem 22.-24. August innerhalb von 48 Stunden drei Boote aus Seenot retten, die insgesamt 202 Menschen an Bord hatten. Nach der medizinischen Evakuierung eines Jugendlichen mit schweren Treibstoffverbrennungen am gestrigen Mittwoch, warten die verbleibenden 201 Geretteten an Bord der Sea-Watch 4 auf Zuweisung eines sicheren Hafens. Dieser war bereits am 23. August in Malta und Italien angefordert worden, den geografisch der Rettung am nächsten liegenden sicheren Staaten. Malta hat die die Anfrage der Sea-Watch 4 bereits abgewiesen.

An Bord werden die Geretteten vom Team von Ärzte ohne Grenzen medizinisch versorgt. “Männer, Frauen und Kinder werden stunden- oder sogar tagelang ohne Hilfe ausgesetzt, wenn sie überhaupt gerettet werden” - sagt Barbara Deck, medizinische Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. "Unser medizinisches Team hat bisher 150 Konsultationen an Deck und in der Klinik an Bord der Sea-Watch 4 durchgeführt. Neben Seekrankheit und Dehydrierung haben wir Patienten behandelt, die kürzlich Verletzungen erlitten haben, die im Zusammenhang mit Berichten über Misshandlungen und Folter in Libyen stehen, sowie Traumata und Verbrennungen, die sie beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, erlitten haben. Und dies sind nur die physischen Wunden; die Wunden, die wir sehen können. Menschen, die auf See gerettet werden in einem langen Schwebezustand zu halten, stellt eine unsägliche psychische Belastung für die ohnehin schon schutzbedürftigen Menschen dar. Es ist unnötig und unmenschlich. Sie haben genug gelitten."

“Nach jedem Einsatz stellt sich für die zivilen Seenotretter erneut die Frage, was aus den Geretteten werden soll. Die Rettungsschiffe warten teilweise wochenlang auf einen sicheren Hafen. Fakt ist: Nach dem internationalen Seerecht und der UN-Menschenrechtskonvention ist Libyen nach wie vor kein sicherer Hafen. Wir bringen Menschen nicht dorthin wo ihnen Folter, Vergewaltigung und Tod drohen. Die EU muss endlich ihre Verantwortung annehmen und einen planbaren, verlässlichen Mechanismus für die Ausschiffung ermöglichen. Dabei muss die Rettung von Menschenleben oberste Priorität haben!” sagt Michael Schwickart, Vorstand von United4Rescue. Anfang des Jahres ermöglichte das Bündnis den Kauf der ‘Sea-Watch 4 powered by United4Rescue’.

Das unmenschliche Wartenlassen trotz schwierigster Konditionen an Bord ist politisches Kalkül. Auch dem Handelsschiff Etienne, das vor nun über drei Wochen 27 Menschen rettete, die in der Maltesischen Such- und Rettungszone in Seenot gerieten, wird von Malta weiterhin ein sicherer Hafen verwehrt. In den Mittagsstunden des heutigen Donnerstags passierte die Sea-Watch 4 die Etienne und sendete über Funk solidarische Grüße.

"Malta hat im letzten halben Jahr mehrmals völlig schamlos bewiesen, dass es bereit ist alle Menschlichkeit über Bord gehen zu lassen, um zu verhindern, dass Flüchtende und Migrierende ihre Häfen erreichen. Von Geisterschiffen, die Menschen in offenem Bruch des Völkerrechts zurück nach Libyen deportieren, über Offshore-Flüchtlingsknäste auf hoher See bis hin zu Stand-Offs wie diesem der Etienne. Obwohl die 27 Menschen im maltesischen Verantwortungsbereich in Seenot gerieten und die Etienne unter der Koordination Maltas gerettet hat, lässt man sie nun mittlerweile 22 Tage auf See versauern. Auch uns auf der Sea-Watch 4 hat die maltesische Rettungsleitstelle bereits mehrmals überdeutlich gemacht, dass sie uns keinen sicheren Hafen bieten werden und uns untersagt, uns ihren Hoheitsgewässern zu nähern. Diese Insel ist bei weitem nicht nur geographisch der Vorposten Europas, sondern auch der einer rassistischen, europäischen Abschottungspolitik. Die geretteten Menschen auf der Etienne und der Sea-Watch 4 haben das Recht auf einen sicheren Hafen, und sie brauchen ihn jetzt!", so Philipp Hahn, Einsatzleiter an Bord der Sea-Watch 4.

Die Verantwortung für die unmenschliche Situation an Europas Grenzen obliegt dabei nicht nur den Mittelmeer-Anrainerstaaten. Es ist die Verantwortung der EU, die Wahrung von See- und Grundrechten sicherzustellen und solidarisch zu handeln. Dazu gehört neben der Zuweisung eines sicheren Hafens auch die Verteilung geretteter Menschen innerhalb der EU. Diese Verteilung muss an Land stattfinden und darf nicht auf dem Rücken Geretteter ausgetragen werden, denen dann tage- und wochenlang eine Anlandung verwehrt wird. Deutschland trägt dabei eine besondere Verantwortung, u.a. haben sich über 170 Städte imn Rahmen der Seebrücke-Bewegung zu sicheren Häfen erklärt, die Gerettete Menschen aufnehmen wollen. Es ist an der Politik, der Solidarität der Städte und Kommunen nicht im Weg zu stehen und diese Aufnahme zu ermöglichen.

Über United4Rescue
United4Rescue unterstützt als unabhängiger, gemeinnütziger Verein die zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer. Im Januar 2020 ermöglichte United4Rescue den Kauf der Sea-Watch 4 als zusätzliches Rettungsschiff. Darüber hinaus unterstützt United4Rescue auch andere zivile Seenotrettungsorganisationen, damit niemals ein Rettungsschiff aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht auslaufen kann. Das Bündnis vereint 580 große und kleine Organisationen, Initiativen, Unternehmen, Vereine und Stiftungen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen. Bündnispartner*innen sind u.a. der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), World Vision Deutschland, der Koordinierungsrat der Muslime und die Evangelische Kirche in Deutschland.

Daniela Singhal – Sprecherin United4Rescue
Mobil +49 151 50126724

Kontakt Sea-Watch
Mattea Weihe
Mobil +49 176 71964264

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United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V.
IBAN: DE93 1006 1006 1111 1111 93
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